
Dein 10-Schritt-Konzept für konstruktive Kritik-Gespräche! So verändert sich das Verhalten Deiner Pflegekraft in die von Dir gewünschte Richtung!
Hier ein kurzer Wortwechsel aus meinem Workshop Umgang mit Konfliktsituationen:
„Eine Kundin hat sich über eine Mitarbeiterin beschwert.“ erzählte eine Teilnehmerin. „Und, haben Sie mit Ihrer Mitarbeiterin gesprochen?“ fragte ich. „Nein, ich warte ab, bis es ein zweites Mal vorkommt!“
In dieser kleinen Sequenz wird deutlich was das Problem mit dem negativen Feedback ist. Sowohl die Pflegedienstleitung/PDL, die ein Fehlverhalten kritisieren muss als auch die Pflegekraft, die ihr Verhalten ändern soll vermeiden in der Regel diese Gespräche.
Vom Empfänger werden Kritikgespräche meist als unangenehm empfunden, weil das Selbstwertgefühl in Frage gestellt wird. Leitungskräfte erteilen nicht gerne Kritik weil sie wissen, dass diese kaum willkommen ist. Zu oft haben sie schon erlebt, dass Kritik zu Abwehr oder Verteidigung führt, in endlose Diskussionen ausartet und oft auch demotivierend wirkt.
Nun ist allerdings die Kommunikation über Probleme, Fehler und Fehlverhalten unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Missstände behoben werden können!
Kritik-Kompetenz
von Führungskräften im ambulanten Pflegedienst
Es ist also Kritik-Kompetenz gefragt und zwar auf beiden Seiten. Die Pflegekraft benötigt die Fähigkeit, Kritik als nützlichen Hinweis für Handlungsverbesserungen aufzunehmen und die Pflegedienstleitung braucht die Kompetenz Kritik so zu formulieren, dass der Empfänger
- sein Gesicht wahren kann,
- und motiviert aus diesem Gespräch herausgeht.
Die Bezeichnung konstruktive Kritik zeigt ja schon in diese Richtung. Das Wort konstruktiv wird aus dem Wort Konstruktion hergeleitet und bedeutet aufbauend.
Im Gegensatz dazu bekommen lediglich 2% der Mitarbeiter/innen, die innerlich gekündigt haben, aufbauende Rückmeldungen.
Wenn es Dir also nicht darum geht, Deinem Ärger spontan Luft zu machen, den anderen zu verletzen oder zu demütigen, dann lies jetzt weiter.
Die Grundvoraussetzungen für konstruktive Kritik
- Nimm Dir Zeit und bereite Dich auf das Gespräch vor.
- Vereinbare einen Gesprächstermin der in den nächsten zwei Tagen stattfinden kann und nenne das Thema um das es geht, damit sich auch die Pflegekraft vorbereiten kann.
- Übe Kritik nicht in Gegenwart Dritter.
- Plane auch für das Gespräch genügend Zeit ein und reserviere Dir nach dem Gespräch nochmal 15 bis 30 Minuten Zeit um Deine Eindrücke und die Vereinbarungen festzuhalten.
Beispiel zu Punkt 2:
„Ich möchte gerne mit Dir über eine Rückmeldung sprechen, die ich von Frau Meier bekommen habe. Sie hat sich über Deinen letzten Einsatz beschwert und ich möchte gerne Deine Sicht der Situation kennen lernen. Morgen um 11:00 Uhr ist ein Patient aus Deiner Tour weggefallen. Die Zeit möchte ich nutzen, damit wir uns in Ruhe bei mir im Zimmer darüber unterhalten können.“
Die Bestandteile eines kontruktiven Kritikgesprächs
1. Wertschätzung
Mit einem Satz persönlicher Anerkennung stellst Du die Weichen des Gesprächs auf „positiv“ und nimmst ein wenig Spannung raus. Da Dein Gegenüber ja schon weiß oder ahnt, dass es um eine Kritik geht, ist dessen Grundhaltung oft entweder auf Verteidigung oder Abwehr eingestellt.
Ich halte nichts davon, zu Beginn etwas Positives zu einem anderen Thema anzubringen. Das lenkt nur ab, wird manchmal als Täuschungs- oder Verschleierungs- oder Beschwichtigungsmanöver empfunden.
Meiner Meinung nach reicht es aus zu sagen:
„Ich freue mich, dass wir Zeit gefunden haben, uns über das Thema xyz zu unterhalten!“ oder „Schön, dass wir jetzt in Ruhe über das Thema xyz sprechen können!“
Dabei ist wichtig, dass Du die Freude auch wirklich empfindest. Wenn Du sehr ärgerlich oder sogar wütend bist, dann stell Dir vor, welchen wunderbaren Zustand Du am Ende des Gesprächs erreicht haben wirst. Dann kommt doch Freude auf, oder?
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2. Tatsachenbeschreibung
Bei diesem Schritt zahlt sich gute Vorbereitung aus. Hier ist Deine Aufgabe, sachlich ohne Untertöne oder anklagende Stimme zu beschreiben, was die Fakten sind. Beschreibe das Verhalten, das Du nicht akzeptieren kannst. So neutral, so sachlich wie möglich!
Bitte bedenke, Du schilderst Deine Sicht der Situation. Genauer gesagt, Deine Interpretation der Fakten. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Sicht und die Interpretation Deiner Pflegekraft anders ausfallen!
Vermeide daher in diesem Schritt
- Nullmengen „Nie geben Sie die Leistungsnachweise pünktlich ab!“ oder
- Vielmengen „Immer muss ich Sie daran erinnern, dass bei Frau Meier kleine und nicht große Grundpflege vereinbart ist!!!“ oder
- unkonkrete Wertungen bzw. Abwertungen „Dieser Zustand ist unhaltbar!“
3. Ich-Botschaft
Wenn es um ein Kritikgespräch geht, dann spielen bei Dir als Führungskraft meistens Emotionen eine Rolle. Nicht nur, dass Du vielleicht so ein Kritik-Gespräch an sich als unangenehm empfindest oder Dich unsicher fühlst.
Die Situation oder das Verhalten, um das es geht, löst bei Dir ebenfalls Emotionen aus. Diese Emotionen lassen sich nicht verbergen. Es sei denn, Du hast die Schauspielerei als Hobby. 😊 Wenn Du jetzt denkst: „Ich muss sachlich bleiben!“, dann stimmt das bezogen auf den Schritt 2 Tatsachenbeschreibung.
Im Schritt 3, der Ich-Botschaft, ist es wichtig, dass Du Deine Emotionen aussprichst!
Beispiele:
„Das ärgert mich!“, „Das macht mich hilflos/ratlos/unsicher/traurig!“, „Das nervt mich!“ "Das irritiert mich".
Wenn Du jetzt glaubst „Das verstehe ich nicht.“ könnte auch gut passen, dann bist Du auf dem Holzweg!
Überleg bitte einmal, ob das eine Emotion ist. Oft steckt dahinter: „Das ärgert mich!“
Wenn Dein Ärger sehr groß ist, empfehle ich sogar, zuerst die Ich-Botschaft zu setzen und dann erst die Tatsachenbeschreibung. Deine emotionale Beteiligung sucht sich nämlich einen Weg. Meistens! Sei es in der Gestik, der Mimik, der Art und Weise wie Du sprichst und atmest.
Also trau Dich, eine Ich-Aussage zu formulieren!
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4. Deutungen
Die wenigsten Menschen machen absichtlich Fehler oder verhalten sich bewusst gegen die Regeln. In der Regel hat Fehlverhalten einen Grund.
Je intensiver Du Dich bei der Vorbereitung mit den möglichen Gründen auseinandergesetzt hast, desto treffsicherer kannst Du Vermutungen über Absichten, Motive und Bedürfnisse Deiner Pflegekraft aussprechen.
Ich empfehle Dir, zuerst zu fragen, ob Du eine Vermutung äußern darfst: „Darf ich einmal ganz offen aussprechen, was ich vermute, woran das liegt?“ Mit dieser Frage machst Du deutlich, dass Du
- Dir Gedanken über Deine Mitarbeiter*in gemacht hast ,
- Deinem Gegenüber Raum lässt, andere Gründe zu benennen und
- an der Interpretation Deiner Pflegekraft interessiert bist.
Wenn es zur Situation und zum Thema passt, verknüpfst Du in Schritt 4 und 5 positive Eigenschaften, Fähigkeiten und Erlebnisse mit Deinen Schilderungen und Fragen. Das stärkt das Selbstwertgefühl des Gesprächspartners, Abwehr- und Vermeidungsverhalten sinken und die Bereitschaft zu einer Veränderung steigt.
Beispiel:
„Ich vermute, es liegt Ihnen ganz arg am Herzen, dass es unseren Pflegekunden so gut wie möglich geht. Das ist eine Eigenschaft, die ich sehr an Ihnen schätze. Wenn Sie dann jemand bittet, noch schnell etwas Zusätzliches zu tun, fällt es Ihnen schwer das abzulehnen, kann das sein?“
5. Deutungen klären – Ursachen finden
Indem Du Fragen stellst, die Antworten der Pflegekraft spiegelst, Schlüsselbegriffe erkundend hinterfragst, klärt Ihr gemeinsam, ob Deine Deutung richtig war oder ob es andere Gründe für zu bemängelnde Verhalten gibt. Sprich aus, dass Du Verständnis für die Gründe hast.
Wenn Du die Sicht Deines Gegenübers einnimmst, Dich in seine Schuhe stellst, lässt sich fast jeder Grund nachvollziehen!
Beispiel:
„Ich verstehe sehr gut, dass es Ihnen unangenehm ist, Ihre Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass die zusätzliche Leistung auch vertraglich festgehalten werden muss und gegebenenfalls ein Eigenanteil notwendig ist.“
6. Auswirkungen
Beschreibe die Auswirkungen, die das Verhalten Deiner Pflegekraft hat. Es geht um die Einordnung in die gesamte Organisation. Nimm den Blick weg von dem subjektiven kleinen Kreis „Du und ich“ und lenke ihn auf das Gesamtsystem. Beschreibe die Auswirkungen auf :
- die Pflegekunden
- den Pflegedienst
- den Träger
- das Team
- die Arbeitsabläufe
Hier hast Du die Möglichkeit Sinn zu stiften, den Horizont zu erweitern, den Blick weg vom eigenen Bauchnabel zu ermöglichen. Oft kommt an dieser Stelle, die Aussage von Deiner Mitarbeitenden: „Das habe ich so gar nicht bedacht!“ .
In dieser Gesprächsphase wird deutlich, dass es nicht darum geht, ob Ihr Euch sympathisch seid oder die Kritik lediglich eine subjektive Marotte von Dir ist. Mit diesem Vorgehen machst Du Dich –auch sprachlich- zur Vertreterin Deines gesamten Verantwortungsbereiches.
Beispiel:
„Die Gefahr ist, wenn Sie das einmal machen, wird es als Selbstverständlichkeit aufgefasst und Sie werden immer öfter gefragt und Sie kommen zu spät zum nächsten Patienten. Wenn jemand anderes Ihre Tour fährt und die zusätzliche Leistung ablehnt, wirkt das negativ. Möglicherweise werden Sie gegeneinander ausgespielt nach dem Motto „Gute Schwester – Böse Schwester“ und im Team kommt es zu Spannungen oder Rechtfertigungen. Darüber hinaus hat Ihr Verhalten negative Auswirkungen auf unser wirtschaftliches Ergebnis.“
7. Wunsch, Appell für künftiges Verhalten
Sage in dieser Gesprächsphase deutlich und ganz konkret wie Du Dir das künftige Wunsch-Verhalten vorstellst. Wenn es das erste Mal ist, dass Ihr zu diesem Thema miteinander sprecht, dann formuliere einen Wunsch
„Ich wünsche mir, dass Du ....“.
Wenn es ein dringend zu veränderndes Verhalten ist, welches sogar die weitere Zusammenarbeit gefährdet, dann formuliere das Wunsch-verhalten als Erwartung.
„Ich erwarte, dass Du ...“
An dieser Stelle –und nicht in Stufe 6 Auswirkungen- nenn bitte auch die Konsequenzen, für den Fall, dass sich das Verhalten nicht ändert.
Beispiel:
"Ich wünsche mir, dass Du in solchen Situationen freundlich aber bestimmt ungefähr folgendes sagst. „Das mache ich gerne einmalig für Sie! Wenn Sie sich darauf verlassen wollen, dass jeder von uns diese Leistung bei jedem Besuch erbringt, sage ich gerne meiner Pflegedienstleitung Bescheid, damit diese Leistung in den Vertrag aufgenommen werden kann!“
8. Offene Frage
Ja, wenn Du jetzt denkst, dass dies ein unendlich langer Monolog ist, dann entspann Dich. Diese zehn Schritte der eines konstruktiven Kritikgespräches sollen Dir einen roten Faden für die Vorbereitung und die Durchführung des Gesprächs geben.
Offene, erkundende Fragen sind zwischendurch ein wunderbares Mittel
- um Augenhöhe herzustellen,
- um einen Dialog zu führen und
- um deutlich zu machen, dass Du an einer guten Lösung interessiert bist.
Nachdem Du Deinen Wunsch oder Appell für künftiges Verhalten geäußert hast, bieten sich folgende Fragen für eine gemeinsame Lösungsfindung an:
* Wie siehst Du das?
* Was ist für Dich die ideale Lösung?
* Was schlägst DU vor?
* Was brauchst Du um dahin zu kommen?
* Welceh Unterstützung wünschst Du Dir von mir?
9. Klare Verabredung
Fasse zum Schluss noch einmal zusammen,
- worauf Ihr Euch geeinigt habt,
- was genau die nächsten Schritte sind und
- wann und in welcher Form Ihr Euch wieder zu diesem Thema sprchet.
Beispiel:
„Gut, dann halten wir also fest, dass Du genau schaust, bei welchen Patienten Du mehr machst als vertraglich vereinbart. Du überlegst Dir vor dem Besuch, was Du sagst, und schaust noch einmal in die Unterlagen vom letzten Workshop. Dann probierst Du es aus. Wenn es Dir schwer fällt, dann setzt Du Dich eine Stunde mit Karen zusammen und Ihr übt einmal die Formulierungen. Auf der nächsten Dienstbesprechung erzählst Du uns allen, wie es Dir ergangen ist. Ich glaube, das hilft auch den Kolleg/innen, die nicht am Workshop teilnehmen konnten.“
10. Danke – Zukunft - Zuversicht
Beende das Gespräch mit einem Dank an Deine Pflegekraft und drücke Deine Freude darüber aus, dass Ihr miteinander in dieser Form habt sprechen können und dass Sie ein gutes Ergebnis gemeinsam erzielt worden ist.
Ganz wichtig: Mache deutlich, dass Du zuversichtlich bist, dass es gelingt.
Ich bin davon überzeugt, dass sich die Zeit für die Vorbereitung eines konstruktiven Kritikgespräches auszahlt. Auszahlt in Mitarbeiter*innen, die zu den 15% gehören, die sich hoch engagiert für die Ziele Eures Pflegedienstes einsetzen.
Viel Erfolg für Deine nächsten Kritikgespräche! Das wünscht Dir die Claudia