Der Text, den die Schauspieler eines Tatort-Krimis sprechen sollen, steht im Drehbuch. Die Regieanweisung gibt vor, mit welcher Emotion der Text gesprochen werden soll und wann der Mörder seinen Einsatz hat. In dieser Folge geht es darum, ob Du für das Drehbuch oder die Regie Deiner Meetings verantwortlich bist oder für Beides.
Deine Teambesprechung: Bundestagsdebatte oder Tatort-Krimi?
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Bonus-Infos zu dieser Episode:
Meistens hast Du in Deiner Teambesprechung zwei Rollen inne: Du bist Expertin für den Inhalt und den Prozess. Damit deutlich wird, was genau ich damit meine, vergleiche ich eine Teambesprechung mit dem Drehbuch eines Films und einer Bundestagsdebatte.
Was hat eine Bundestagsdebatte mit Deinen Besprechungen zu tun?
Jedes Meeting findet auf zwei unterschiedlichen Ebenen statt:
- Auf der einen Ebene geht es um die Themen/Inhalte und Ziele, die zu jedem Tagesordungspunkt/TOP anstehen und
- auf der anderen Ebene geht es darum, wie das Meeting methodisch abläuft. Wie der Prozess gestaltet wird.
Das beste Beispiel für eine klare Trennung der beiden Aufgaben ist eine Bundestagsdebatte.
Der Bundestagspräsident, ist für den Prozess zuständig. Er DARF während einer Bundestagssitzung gar nicht seine Meinung zum Thema sagen. Er muss gerecht und unparteiisch sein. Als Leiter der Parlamentssitzungen hat er die Aufgaben,
- die einzelnen Sitzungen zu eröffnen und zu schließen.
- Er ruft die Tagesordnungspunkte auf,
- erteilt den Rednern das Wort,
- achtet darauf dass diese die Zeit einhalten,
- kann Abgeordnete, die stören, ermahnen,
- sie von der Sitzung ausschließen oder
- ihnen das Wort entziehen.
Die Redner im Bundestag MÜSSEN ihre Meinung sagen. In den Debatten stehen sie für die Inhalte des jeweiligen Themas.
Stell Dir einmal vor, die Redner müssten noch darauf achten, dass die Themen pünktlich beginnen, alle Abgeordneten zu Wort kommen oder hätten das Recht jemanden, der anderer Meinung ist rauszuschmeißen?
Oder stell Dir vor, der Bundestagspräsident würde sich während der Debatte mit seiner Meinung einmischen.
Das wäre doch das reinste Chaos!
Und dieses Chaos richten viele an, die eine Besprechung durchführen, weil sie sich der unterschiedlichen Aufgaben von Inhalt- und Prozessverantwortung nicht bewusst sind.
Unsere Rollen und Drehbücher
Mit diesem Thema sind wir mitten in der Rollentheorie.
Was der Bundestagspräsident tun soll, ist ihm durch seine soziale Rolle vorgegeben. Genau so, wie auch ein Schauspieler das tut, was die Rolle verlangt.
Wir alle haben mehr als eine Rolle inne. Mir ist wichtig herauszustellen, dass wir keine Rolle spielen. Unser Leben ist zwar manchmal auch wie eine Bühne oder ein Filmset, doch im Gegensatz zu Schauspielern, leben wir unsere Rollen in unterschiedlichen Situationen.
Nehmen wir einmal meine Rollen als Beispiel:
Ich bin Tochter, Tante, Ehepartnerin, Freundin, Schwester, Kollegin, Kundin, Verkäuferin, Coach, Beraterin, WS-Leiterin, Podcast-Moderatorin in den Interviewfolgen und Expertin für mein Thema in den Solofolgen. Und das sind nur einige von den vielen sozialen Rollen, die ich einnehme.
Zu jeder dieser Rollen gehört so etwas Ähnliches wie ein Drehbuch. Dieses Skript enthält alle Erwartungen, die sich an das Verhalten von Menschen richten, die eine Rolle einnehmen.
Wenn ich Gäste in meiner Podcast-Show habe, dann bin ich die Moderatorin. Die Erwartung an meine Rolle als Moderatorin ist, dass ich mich inhaltlich zurückhalte und mit Fragen durch das Gespräch führe. Es wäre komplett gegen die Erwartungen an meine Rolle, wenn ich in einer Interview-Folge die meisten Redeanteile hätte.
Der Unterschied zwischen Leiten und Moderieren in Besprechungen
Viele Leitungskräfte machen sich nicht genügend bewusst, dass das Leiten und das Moderieren eines Meetings zwei unterschiedliche Rollen sind. Meistens wird der Fokus auf die Themen, die Inhalte und die Raumgestaltung gelegt. Genau das ist der Grund, warum Besprechungen oft nicht zum gewünschten Erfolg führen.
Wir unterscheiden
- die Besprechungs-Leitung, die für den Inhalt und die inhaltlichen Ziele verantwortlich ist,
- die Besprechungs-Moderation, die für den Prozess verantwortlich ist
Die Rolle der Besprechungs-Moderation
Moderationen kennen wir aus den Medien. Ein Radio- oder Fernsehmoderator führt durch das Programm der Sendung. Das Wort Moderator ist übrigens vom lateinischen „moderare“ abgeleitet und bedeutet, „mäßigen“, „steuern“, „lenken“.
Eine Besprechungs-Moderation führt durch das Meeting und steuert den Prozess.
Aufgaben der Besprechungs-Moderation
- Das Meeting zum festgelegten Zeitpunkt eröffnen/beginnen (auch wenn noch nicht alle da sind!).
- Die Themen aufrufen und eine geeignete Methode anwenden, um das Ziel des Themas zu erreichen.
- Geeignete Fragen stellen, Wortbeiträge visualisieren oder von den Teilnehmenden visualisieren lassen.
- Gesagtes zusammenfassen.
- Dafür sorgen, dass Zurückhaltende zu Wort,
- Vielredner auf den Punkt kommen und
- alle beim Thema bleiben.
- Wortmeldungen sammeln und das Wort erteilen.
- Darauf achten, dass die Zeit für jeden TOP eingehalten wird.
- Wenn die Zeit überschritten wird, dafür sorgen, dass eine Vereinbarung getroffen wird, wie es jetzt weitergeht. (Thema auf einen anderen Termin vertagen oder auf Kosten der folgenden Punkte weiter behandeln oder das Meeting verlängern).
- Darauf achten, dass es eine zielführende Diskussionskultur gibt.
Die Rolle der Besprechungs-Leitung
Die Besprechungs-Leitung ist verantwortlich für den Inhalt und die Zielerreichung.
Sie erstellt die Tagesordnung und entscheidet für jeden Tagesordnungspunkt,
- welche Ziele erreicht werden sollen,
- ob Externe oder Kolleg/innen aus andern Funktionen dabei sein werden,
- welche Informationen im Vorfeld zur Verfügung gestellt werden müssen,
- welche Informationen in der Besprechung fließen sollen,
- wie die Informationen präsentiert werden. (PPT, Unterlagen oder freies Erzählen) und
- wie sichergestellt wird, dass das die Umsetzung funktioniert.
Bist Du für den Inhalt UND den Prozess in Deinen Meetings verantwortlich?
In den meisten Fällen wird es so sein, dass Du bei Deinen regelmäßigen Dienst- oder Teambesprechungen für Beides zuständig bist. Dann hast Du zwei Aufgaben und gleichzeitig zwei Rollen inne: Die Rolle des Moderators und die der inhaltlichen Leitung. Das heißt auch, dass es unterschiedliche Erwartungen an diese beiden Rollen gibt.
Deine Rolle ist in diesem Fall die Leitungsmoderation.
Das ist eine Herausforderung!
Damit dies bei Dir nicht zu einem Rollenkonflikt führt, mach Dir bitte bewusst, in welcher Phase der Besprechung Du in welcher Rolle bist und welche Erwartungen an diese Rolle gestellt werden.
Gib ganz besonders Deiner Rolle als Besprechungs-Moderator/in einen höheren Stellenwert.
Wer sich ausschließlich auf die Inhalte konzentriert, hat den größten Stolperstein für erfolglose Meetings mitten im Raum liegen.
Die Ziele von Deinen Themen kannst Du mit passenden Moderationsmethoden viel viel leichter erreichen. Da diese Methoden und Techniken meistens dazu führen, dass Dein Team aktiv an der Erarbeitung der Ergebnisse beteiligt ist, werden diese und auch Eure Verabredungen nachhaltiger in die Praxis umgesetzt.
Ein Tipp für schwierige Diskussionen
Wenn Du einen Tagesordnungspunkt hast, zu dem Du viele kontroverse Diskussionen erwartest, dann übergib die Moderatorenrolle am besten an Deine Stellvertretung oder eine andere geeignete Person.
Dadurch kannst Dich ganz auf die Inhalte und das Ziel konzentrieren und die Moderatorin organisiert die Wortbeiträge. Bespreche mit der betreffenden Person im Vorfeld, was genau ihre Aufgabe ist.
Musst Du allen Erwartungen gerecht werden?
Aus meiner Befragung zum Thema: „Was findest Du bei Euren Dienst- oder Teambesrechungen gut und was würdest Du besser machen?“ siehst Du, dass die meisten Besprechungsteilnehmer erwarten, dass Du den Prozess steuerst und auch Inhalte lieferst, die für das Team nützlich und wichtig sind. (PA44: 10 Gründe, warum Teambesprechungen nicht zum Ziel führen.)
Wie entstehen Erwartungen?
Zu diesem Thema gibt es unzählige Abhandlungen und sogar eine Wissenschaftsrichtung. Ich möchte jetzt nur einen ganz kleinen Einblick geben: Wir alle begegnen in unserem Alltag Erwartungen.
„Das hätte ich von Dir nicht gedacht!“ ist ein typischer Ausspruch für eine Situation, in der ein anderer die Erwartungen des Sprechers nicht erfüllt hat. Vielfach ist es so, dass die Erwartungen nicht offen ausgesprochen oder gar niedergeschrieben sind.
Ein Geschäftsführer sagte einmal zu mir:
„Das Problem bei der Führung ist, dass die Mitarbeiter meine Erwartungen nicht erfüllen, die ich nie kommuniziert habe.“
Eine gute Selbsterkenntnis, oder?
Erwartungen an eine Rolle (und davon haben wir ja alle viele) sind Zuschreibungen der jeweiligen Bezugsgruppe. Manchmal ist die Bezugsgruppe die gesamte Gesellschaft eines Kulturkreises. Wie zum Beispiel, dass Eltern ihre Kinder nicht schlagen sollen. Manchmal handelt es sich bei der Bezugsgruppe um ein Unternehmen, ein Team oder sogar einzelne Menschen. Oft spielen auch die Erwartungen, die wir an uns selbst haben eine entscheidende Rolle dafür, wie wir uns verhalten.
Erwartungen ändern sich auch im Laufe der Zeit. Als ich Kind war, galt die Ohrfeige durchaus als gesellschaftlich akzeptiertes Sanktionsmodell.
Das heißt, Du kannst die Erwartungen Deines Teams an eine Dienstbesprechung auch verändern. Wenn Du bis jetzt überwiegend referiert hast, Diskussionen nicht initiiert, Deine Tagesordnungspunkte inhaltlich abgearbeitet und wenig Wert auf Beteiligung gelegt hast, dann wird Dein Team genau das auch für die kommende Besprechung erwarten.
Diese Erwartung musst Du nicht erfüllen!
Wenn Du zum Beispiel zu Beginn Deiner nächsten Besprechung gemeinsam mit dem Team erarbeitest, welche Regeln künftig gelten sollen (Beispiel: Es beginnt zur vereinbarten Zeit)
oder
Du ein Thema (Beispiel: Teamteilung) mit der Frage „Welche Auswirkungen hat es, wenn wir unser Team aufteilen?“ bearbeiten lässt und mit Moderationsmethoden dafür sorgst, dass alle zu Wort kommen,
dann wirst Du möglicherweise Irritation hervorrufen. Rechne damit, dass nicht jeder begeistert ist, in einem Meeting mehr als Zuhören zu sollen. Denn viele haben sich schon gemütlich in der Routine oder dem Kreis der Gewohnheiten eingerichtet.
Wenn Du Dir in den nächsten Dienstbesprechungen ganz die unterschiedlichen Rollen der Besprechungs-Leitung und der Besprechungs-Moderation bewusst machst und nach und nach mehr Moderationsmethoden einsetzt,
- machen Deine Meetings noch mehr Spaß,
- ist Dein Team motiviert dabei,
- Du erreichst leichter Deine Ziele, die in der Regel auch nachhaltiger umgesetzt werden
- und die Erwartungen an Deine Besprechungen werden sich verändern.
Zusammenfassung
- Was hat eine Bundestagsdebatte mit Deinen Besprechungen zu tun?
Wie bei Bundestagsdebatten hast Du bei Deinen Meetings zwei Ebenen. Inhalt- und Prozessverantwortung sind zwei verschiedene Aufgaben. - Unsere Rollen und Drehbücher – Ein kleiner Ausflug in die Rollentheorie
Wir haben alle viele Rollen inne, an die unterschiedliche Erwartungen geknüpft werden. - Der Unterschied zwischen Leiten und Moderieren in Besprechungen
Die Besprechungsleistung ist für den Inhalt und die Ziele, die Besprechungsmoderation für den Prozess verantwortlich. - Bist Du für den Inhalt und den Prozess in Deinen Meetings verantwortlich?
Wenn ja, dann mach Dir in jeder Phase Deiner Besprechung bewusst, welche Rolle Du gerade inne hast und gib Moderationsmethoden einen höheren Stellenwert. - Musst Du allen Erwartungen gerecht werden?
Nein, Du musst nur wissen, welche es gibt und kannst Dich entscheiden, ob Du sie erfüllst oder verändern willst.
Action Step
Schau Dir noch einmal die Aufgaben Besprechungs-Moderation an und integriere in Deine nächste Besprechung einmal bewusst drei Moderationselemente, die Du bisher noch nicht eingesetzt hast. Erzähle von Deinen Erfahrungen hier in den Kommentaren oder bei Facebook auf meiner Seite PFLEGE.ambulant.
Ich wünsche Dir viel gute Energie bei der Umsetzung.
Liebe Grüße von
Claudia, Claudia Henrichs