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5 Vorschläge für eine gute und verlässliche Pflege

Meine spontanen Gedanken und Fragen zum Positionspapier (05.06.2018) von Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung. Im zweiten Teil dieser Episode nehme ich Dich mit hinter meine Kulissen und erzähle, warum ich mich in den letzten Wochen so rar gemacht habe.

Das Positionspapier von Andreas Westerfellhaus 

Meine Gedanken und Fragen zu jedem einzelnen Punkt

Die 5 Punkte im Überblick

  • Prämie für Rückkehrer und Aufstocker 
  • 80 Prozent Arbeit bei 100% Lohn (80:20-Modell)
  • Bonus für gute Arbeitgeber
  • Mehr Freude am Pflegeberuf - Mehr Verantwortung durch Heilkundeübertragung
  • Ausbilden! Ausbilden! Ausbilden

 

Punkt 1: Prämie für Rückkehrer und Aufstocker

  1. 5.000,- Euro steuerfrei, für alle, die wieder in der Pflegeberuf zurückkehren.
    • Einmalig 5.000 Euro kann ein Anreiz sein. Ich glaube nicht, dass Viele das in Anspruch nehmen werden. Denn die Meisten beklagen eher die schlechten Arbeitsbedingungen. Und wenn schon Geld ein Anreiz ist, dann eher dauerhaft als Gehaltserhöhung.

    • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  2 Daumen

  2. 3.000,- Euro steuerfrei für Teilzeitkräfte, die ihre Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent der Vollzeitarbeitszeit aufstocken.
    • Beispiel: Vollzeit = 38 Stunden / 20% davon = 7.6 Stunden. Hat jemand einen Teilzeitvertrag mit einem Stundenumfang von 20 Stunden, muss um 7,6 Stunden auf 27,6 Stunden aufgestockt werden um die Prämie zu bekommen.
    • In der Podcast-Episode Deutschlandfunk Lebenszeit  kam eine Hörerin zu Wort, die Teilzeit im KHS arbeitet und viele Überstunden macht. Sie sagte klar, dass ein höherer Stundenvertrag für sie nicht in Frage komme, weil darauf dann auch wieder Überstunden anfallen würden und einen Vollzeitjob könne sie sich nicht zumuten.
    • In Kombination mit dem 80:20 Modell (siehe Punkt 2) könnte diese Idee für stationäre Einrichtungen funktionieren, wenn durch Überstunden nicht doch wieder ein Vollzeitjob daraus wird.
    • Für den ambulanten Pflegedienst sind Vollzeitkräfte sowieso eher unattraktiv.

    • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  2 Daumen

  3. 3.000 € für jeden Ausbildungsabsolventen bei Ersteinstellung
    • Ich kann mir vorstellen, dass diese Prämie für junge Menschen ein Anreiz sein kann. Wobei auch Azubis den dringenden Wunsch äußern, die Diskrepanz zwischen dem, was sie in der Ausbildung lernen und dem, was sie in der Praxis vorfinden, zu verringern. Dabei denke ich an den offenen Brief an Herrn Spahn, den 20 Azubis im April 2018 bei FB veröffentlicht haben.

      „Uns graut davor, nach dem Examen diesem Druck, Dinge aus Zeitgründen nicht korrekt durchzuführen, ausgesetzt zu sein.“ Der Brief endet mit dem Appel: „Wir fordern Sie auf, sich auch mit der Situation der Auszubildenden auseinanderzusetzen und erwarten eine persönliche Stellungnahme, die uns zum einen motiviert die Ausbildung zu beenden und zum anderen, den Pflegeberuf dann auch auszuüben und uns nicht sofort eine Alternative zu suchen ( wie schon viele vor uns ).“

    • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  3 Daumen

  4. 3.000 € für Einrichtungsbetreiber
    davon 1.500 € „Gewinnungsprämie“ bei Aufstockung/Einstellung 
    und 1.500 € „Bindungsprämie“ nach einem Jahr, sofern die Pflegefachkraft weiter im Betrieb tätig ist.
    • 1.500 € Gewinnungsprämie pro Kopf! Das finde ich ja mal eine spannende Idee, einen Anreiz für Einrichtungsbetreiber zu schaffen.Viele, die immer klagen, dass sie kein Personal finden, haben jetzt die Möglichkeit, einmal ihren Personalgewinnungsprozess unter die Lupe zu nehmen.
      • Wie ist denn die Candidate Journey im Bewerbungsprozess und welche Erfahrungen machen Bewerber (Candidate Experiance)?
      • Wie gestalte ich meine Stellenausschreibungen und wo platziere ich sie?
      • Was kann anders, innovativer und zielgruppengerechter gemacht werden?
      • Hier ein Beispiel: PA28 - Personal gewinnen mit dem richtigen Pflegemarketing
    • Noch einmal 1.500 Euro gibt es für Einrichtungsbetreiber als Bindungsprämie, wenn die Eingestellten (und ich denke, das gilt auch für die Aufstocker?) nach einem Jahr immer noch im Betrieb tätig sind. Ich weiß nicht, ob der Betrag hoch genug ist, damit Pflegeunternehmen sich einmal konkret und konzepthaft damit befassen, warum deren Fluktuationsquote so ist, wie sie ist.

    • Jetzt gibt es zu Punkt 1 noch einen Fließtext, dessen Sinn sich mir nicht so ganz erschließt. Hier der Originaltext: 
      „Transparente Bedingungen und eine Weiterbildungsverpflichtung für die Pflegefachkräfte von mindestens vier Tagen pro Jahr werden dafür sorgen, dass die Prämien tatsächlich zu mehr Pflegekräften am Bett und damit zu einer Entlastung der bereits heute in der Pflege Tätigen führen.“
      Meine Fragezeichen dazu: 
      Was ist mit transparenten Bedingungen gemeint? Und welchen Zusammenhang gibt es zu der Weiterbildungsverpflichtung? Fort- und Weiterbildungspunkte müssen doch auch jetzt schon gesammelt werden. Irgendwie fühlt sich das Thema Weiterbildungsverpfichtung für mich in diesen Punkt so eingeschmuggelt an und den Zusammenhang zur Prämie verstehe ich nicht.

    • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  3 Daumen

Punkt 2: 80 Prozent Arbeit bei 100 Prozent Lohn (80:20-Modell)

Alle Pflegefachkräfte haben die Möglichkeit, bei 80 Prozent Arbeitszeit 100 Prozent Lohn zu erhalten. Ich nehme an, dass die 80% wieder von einem Vollzeitarbeitsverhältnis gerechnet werden. Pflegefachkräfte in Teilzeit können nämlich auf 80 Prozent Arbeitszeit aufstocken und erhalten 100 Prozent Gehalt.

Vollzeitkräfte haben die Möglichkeit das 80:20 Modell zu wählen oder weiter Vollzeit zu arbeiten und dafür einen Gehaltszuschlag zu bekommen.

„Nach ersten Einschätzungen des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung könnten mit dem 80:20-Modell bis zu 40.000 zusätzliche Stellen (Vollzeitäquivalente) im Ergebnis aus Arbeitszeitreduzierung und Teilzeitaufstockung gewonnen werden (https://idw-online.de/de/news695920). Hinzu kommen die Berufsrückkehrer durch die Prämien, die mit dem 80:20-Modell bessere Arbeitsbedingungen vorfinden würden.“ (Text aus dem Positionspapier)

  • Diese Idee bekommt von mir schon mal 4 Daumen hoch für den stationären Bereich auch wenn sie als Flächenmodell erst mal nur auf drei Jahre befristet ist.

  • In der ambulanten Pflege sind 70% der Beschäftigten in Teilzeit angestellt. (Stand 2017) Das liegt zum einen daran, dass fast 90% Frauen sind und zusätzlich meistens noch einen Familienjob  stemmen. Der andere Grund ist, dass für die Früh- und Spättouren Teilzeitkräfte flexibler einsetzbar sind.

  • Da bei Punkt 1 und 2 der Fokus darauf liegt, Teilzeit in Vollzeit umzuwandeln, sehe ich in der ambulanten Pflege den großen Gewinn nicht wirklich. Dazu kommt, dass 40% der weiblichen Beschäftigen über 50 Jahre alt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die über 50jährigen die Finger nach einem Vollzeitjob lecken.

  • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  2 Daumen für die ambulante Pflege

 

Punkt 3: Bonus für gute Arbeitgeber

Der Originaltext:
Pflege braucht faire und moderne Arbeitsbedingungen. Ich (Andreas Westerfellhaus) möchte mehr Wettbewerb der Betreiber um die besten Arbeitsbedingungen und um die größte Wertschätzung für Pflegekräfte. Kostenträger und Einrichtungen in der Altenpflege sollen deshalb die Möglichkeit erhalten, in den Vergütungsverhandlungen Zuschläge für die Einführung innovativer Konzepte für attraktive Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.

Mit einem solchen Bonus können Maßnahmen eines Arbeitgebers für mehr Dienstplanstabilität und weniger Rückrufen aus dem Frei, mitarbeiterorientierte Arbeitszeitmodelle, Gesundheitsförderung der Beschäftigten, jährliche Fortbildungen der Führungskräfte mit Personalverantwortung, Weiterqualifikation von Pflegehelfern zu Pflegefachkräften oder Entbürokratisierung der Pflegedokumentation gefördert und belohnt werden.“

  • 4,5 Daumen von mir für diesen Punkt. 5 würde es geben, wenn klarer wäre, wie hoch der Bonus ausfallen kann. In der Podcast-Folge PA43 - Personalmangel kennen wir nicht habe ich eine Geschäftsführerin interviewt, die auch jetzt schon sagt, dass Personalmangel ein Fremdwort für sie ist. In diesem Pflegedienst habe ich aber auch deine Führungshaltung erlebt, die von hoher Mitarbeiterbeteiligung geprägt ist.

  • Jährliche Fortbildung für Führungskräfte mit Personalverantwortung finde ich goldrichtig. In der PDL-Weiterbildung kommt das meiner Meinung nach zu kurz, Learning bei Vorbild ist weit verbreitet und führt oft zu einem antiquierten Leitungsstil. Gerade in unseren Zeiten des agilen Managements fordern jüngere Mitarbeitende mehr Beteiligung auf Augenhöhe. Das muss gelernt und reflektiert werden!

  • Ich hoffe und wünsche, dass aus dieser Idee kein Papiertiger wird. Irgendwie muss ja auch nachgewiesen werden, das die Maßnahmen umgesetzt werden und zum gewünschten Ergebnis führen. Und soweit ich weiß, werden Vergütungsverhandlungen ja oft für einen ganzen Verband geführt und es gibt innerhalb der einzelnen Pflegedienste durchaus Unterschiede in Punkto moderne Arbeitsbedingungen.

  • Ich bin davon überzeugt, dass der Weg richtig ist und auch dass es einen langen Atem braucht um spürbare Veränderungen feststellen zu können. Da heißt es dran bleiben.

  • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  4,5 Daumen 

Punkt 4: Mehr Freude am Pflegeberuf – mehr Verantwortung durch Heilkundeübertragung

Der Originaltext:
„Pflegefachkräfte sind, wie der Name sagt, Pflegeprofis. Sie sind keine Handlanger und können weit mehr als An- und Verordnungen ausführen. Deshalb ist es an der Zeit, ihnen gezielt heilkundliche Aufgaben zu übertragen. Natürlich unter Maßgabe konkreter Qualifikationsanforderungen.“ Jetzt kommt eine Aufzählung, die hoffentlich nicht abschließend gemeint ist:
„In Betracht kommen beispielsweise Aufgaben im Bereich der Versorgung chronischer Wunden, spezifischer Infusionstherapien und der Versorgung von Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2. Die mit diesen Aufgaben verbundene höhere Verantwortung wird dem modernen Pflegeberuf gerecht und stärkt seine Attraktivität und Autonomie.“

  • Ja, volle Daumen-Punktzahl von mir und ich hoffe unser Gesundheitsministerium hat gegenüber den Ärzten genügend Durchsetzungsvermögen und die Kassen prüfen sich nicht noch einen Wolf.

  • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  5 Daumen 

Punkt 5: Ausbilden! Ausbilden! Ausbilden!

Der Originaltext:
„Ohne eine Stärkung der Ausbildung in der Pflege wird sich der Fachkräftemangel nicht eindämmen lassen.“ Volle Zustimmung von mir! „Neben der Umsetzung des neuen Pflegeberufegesetzes kommt es auch darauf an, für die Arbeitgeber Anreize zur Ausbildung zu setzen.“

„Einrichtungsbetreiber sollten Ausbildungskonzepte „von der Assistenz bis zum Master“ entwickeln. Um dies zu fördern und mehr Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen, soll der Kostenanteil der Pflegeeinrichtungen an der neuen Pflegeausbildung gesenkt werden.„

  • Zum neuen Pflegeberufegesetz herrscht ja gerade noch eher Verwirrung und die Umsetzung wird aus meiner Sicht noch ein paar Jahre brauchen, bis sich das eingespielt hat.

  • Kostenanteil an der neuen Pflegeausbildung senken. Prima! Spannend zu wissen, in welcher Größenordnung.

  • Ausbildungskonzepte von der Assistenz zum Master, da bin ich zwiegespalten.
    • Für große Träger ist das bestimmt machbar und das wird die Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen.
    • Kleinere Pflegedienste werden das nicht leisten können und sind schon froh ein Ausbildungskonzept durchführen zu können, für die Zeit, in der die Azubis überhaupt vor Ort sind. Und dieses Konzept hat dann eher den Fokus auf den fachlichen und sozialen Kompetenzen.
    • Gut finde ich auch, Pflegehelfern leichter zu ermöglichen sich zur Pflegefachkraft weiterzubilden.
    • In der Podcast-Folge „Deutschlandfunk Lebenszeit – Das Pflegeproblem“ erzählte eine Heimleiterin aus NRW, dass die Altenpflege-Fachseminare in ihrem Umkreis mit Honorarkräften hantieren müssen während zum Beispiel jeder Tischler von überwiegend beamteten Lehren unterrichtet werde. Möglicherweise gibt es in der Ausbildung zur Pflegefachkraft noch ein paar Ansatzpunkte der Verbesserung.

    • Meine Wertung auf einer Skala von max. 5 Daumen hoch:  5 Daumen dafür, dass Ausbildung im Positionspapier enthalten ist. Insgesamt aber nur 3 Daumen, denn ich finde, bevor es zum Master-Studium kommt, muss das neue Pflegeberufegesetz erst einmal schnell umgesetzt werden.

 

Kosten des 5 Punkte Plans

ZEIT ONLINE schrieb 17. Mai 2018, dass "die Kosten in dem Positionspapier für das erste Jahr auf rund 570 Millionen Euro, im zweiten Jahr auf rund 345 Millionen Euro beziffert werden" Davon ist zwar im 5 Punkte Plan nichts zu lesen, doch ich gehe mal davon aus, dass die Spiegelredaktion auch noch andere Quellen hat. 

Originaltext:
"Die Kosten für „Mehr PflegeKRAFT“ sollten nicht einseitig durch die Pflegebedürftigen getragen, sondern auf möglichst breite Schultern verteilt werden."

Was mit breiten Schultern gemeint ist, wurde am 13. Juni bekannt gemacht. Die Beiträge zur Pflegeversicherung werden zum 01.01.2019 um 0,3 Prozentpunkte steigen.

 

 

Action Step 

Schreib doch mal in Facebook oder hier auf der Webseite, ob Du findest, dass diese 5 Vorschläge für eine gute und verlässliche Pflege sorgen werden. Schreib mir auch, was Du anders siehst als ich oder ergänze meine Gedanken einfach. 

 

Ich freue mich, wenn wir uns darüber austauschen.

Liebe Grüße von

Claudia, Claudia Henrichs

 

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Fotos: Robert Bergemann | offenblen.de